Wer neue Mieter sucht, sollte kein finanzielles Risiko eingehen.
BGH sieht keine vergleichbare Schutzwürdigkeit
Der Fall:
Die Rechtsvorgängerin des Vermieters hatte mit der aus den damaligen Nutzern der Wohnungen bestehenden Selbsthilfegenossenschaft einen Vertrag über die Nutzung, Instandsetzung und Modernisierung eines Gebäudes geschlossen. Gemäß diesem Vertrag sollte die Genossenschaft mit Hilfe öffentlicher Fördergelder umfangreiche Sanierungsmaßnahmen vornehmen und für die Vertragsdauer von 20 Jahre berechtigt sein, Mietverträge mit ihren Mitgliedern - den bisherigen Nutzern der Wohnungen - abzuschließen. Das von der Genossenschaft an die Rechtsvorgängerin des Vermieters zu zahlende Nutzungsentgelt betrug 1,50 DM je qm. Weiter sah der Vertrag die Berechtigung der Genossenschaft vor, nach Ablauf der Vertragsdauer von 20 Jahren die bisherigen Nutzer der Wohnungen als Mieter für die jeweils eigengenutzte Wohnung zu benennen. Dabei sollte der Eigentümer des Hauses verpflichtet sein, mit diesen Nutzern Mietverträge nach üblichem Standardformular unter Vereinbarung der ortsüblichen Vergleichsmiete abzuschließen.
In der Folgezeit führte die Genossenschaft die Sanierung des Gebäudes mit einem Aufwand von rund vier Millionen DM durch, wobei ein Betrag von rund 375.000 DM auf Eigenleistungen entfiel und im Übrigen öffentliche Fördergelder verwendet wurden. Anschließend vermietete sie die Wohnungen an ihre Mitglieder zu Mieten zwischen 1,80 bis 2,86 € je qm. Die Nettokaltmieten für die zwischen 53 und 159 qm großen Wohnungen liegen dementsprechend zwischen 124 und 286 €.
Nach Ablauf der zwanzigjährigen Nutzungszeit im Jahre 2013 kam es zwischen dem Vermieter und den Bewohnern zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob er nach § 565 BGB in die zwischen der Genossenschaft und den Bewohnern abgeschlossenen Mietverträge als Vermieter eingetreten war. Die Bewohner meinen, dies sei der Fall und sie hätten daher an die Kläger lediglich die vorstehend genannte bisherige Miethöhe zu zahlen; eine Mieterhöhung sei nur in den Grenzen des § 558 BGB (Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete) auf der Grundlage des bisherigen Mietniveaus möglich.
Mit der Klage begehrt der Vermieter nun die Feststellung, dass zwischen ihm und den Bewohnern keine Mietverträge über die jeweilige Wohnung bestehen.
Das Problem:
§ 565 BGB regelt den Fall der sog. gewerblichen Zwischenvermietung. Dabei handelt es sich um eine Vermietungskette: Der Vermieter vermietet an den Mieter (hier: die Genossenschaft), der nach dem Zweck des Hauptmietvertrages den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten (hier: den Bewohnern) zu Wohnzwecken weitervermieten soll. Es handelt sich um eine Schutzvorschrift zugunsten der tatsächlichen Bewohner und ordnet an, dass der Vermieter bei Beendigung des (Haupt-)Mietvertrages in den zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossenen Mietvertrag eintritt.
Das Urteil:
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Voraussetzungen für einen solchen Eintritt in dem vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Denn bei der im Hauptmietvertrag vorgesehenen Weitervermietung an die Mitglieder der als Zwischenmieterin handelnden Selbsthilfegenossenschaft handele es sich nicht um eine gewerbliche Weitervermietung im Sinne des § 565 BGB. Der Regelungszweck dieser Vorschrift ziele nicht darauf ab, den Schutz des Mieters generell auf Fälle einer Weitervermietung durch den Hauptmieter auszudehnen, sondern nur auf bestimmte Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Eigentümer im eigenen Interesse und zum Zwecke des Anbietens der Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zu üblichen Bedingungen einen Zwischenmieter einschaltet, der mit der Weitervermietung wiederum eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. In einem solchen Fall stelle § 565 BGB den Endmieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages so, als hätte er die Wohnung direkt vom Vermieter angemietet und gewährt ihm damit insbesondere auch den sozialen Kündigungsschutz.
Vorliegend bestehe indes eine grundlegend andere Interessenlage, da der Vertragszweck des Hauptmietvertrages gerade nicht die gewerbliche Weitervermietung sei, sondern der Zwischenmieter mit der Weitervermietung gemeinnützige, karitative oder ähnliche Zwecke - wie hier in Gestalt der Wahrnehmung der Interessen der eigenen Mitglieder (der Bewohner des Gebäudes) durch die aus ihnen bestehende Selbsthilfegenossenschaft - verfolge. Die Zwischenvermietung erfolge dann vor allem im Interesse des Endmieters. Da der Zwischenmieter in diesem Fall die Interessen des Endmieters in der Regel bereits bei der Gestaltung des Hauptmietvertrags wahrnehme, bestehe nicht die Notwendigkeit, den Mieter darüber hinaus bei Beendigung des Hauptmietvertrages zusätzlich dadurch zu schützen, dass der Eigentümers gemäß § 565 BGB als Vermieter in den Mietvertrag eintritt. Vielmehr seien derartige Fälle aufgrund des engen Verhältnisses zwischen dem Endmieter und dem Zwischenmieter eher mit der klassischen Untermiete zu vergleichen, in denen der Untermieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages ebenfalls keinen Kündigungsschutz genieße.
Das sagt Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg dazu:
Mit der Notwendigkeit eines "sozialen Mieterschutzes" wird so manche abstruse Gerichtsentscheidung begründet, auch wenn sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres unmittelbar der gesetzlichen Regelung entnehmen lässt. Umso erfreulicher ist die Deutlichkeit, mit der der BGH auch nur eine analoge Anwendung des § 565 BGB auf die vorliegende Fallgestaltung mit der Begründung ablehnt, dass die Bewohner hier keine besondere Schutzbedürftigkeit genießen. Der Vermieter war auch keineswegs bösartig, sondern hatte den Bewohnern vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe einen Neuabschluss von Mietverträgen direkt mit ihm angeboten, was diese jedoch ablehnten.
BGH, Urteil vom 20.1.2016, AZ: VIII ZR 311/14
Fundstelle:
Wortlaut des Urteils auf der Homepage des BGH
Amtlicher Leitsatz:
"Eine gewerbliche Weitervermietung im Sinne des § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Zwischenmieter - nach dem Zweck des mit dem Eigentümer abgeschlossenen Vertrages - die Weitervermietung zu Wohnzwecken mit der Absicht der Gewinnerzielung oder im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausüben soll (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 3. Juli 1996 - VIII ZR 278/95, BGHZ 133, 142, 148).
Hieran fehlt es, wenn der Eigentümer mit einer Mieter-Selbsthilfegenossenschaft einen Mietvertrag abschließt, der die Weitervermietung des Wohnraums an deren Mitglieder zu einer besonders günstigen Miete vorsieht. Bei einem derartigen Handeln des Zwischenmieters im Interesse der Endmieter kommt eine analoge Anwendung der Vorschrift schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer der gewerblichen Weitervermietung vergleichbaren Interessenlage der Beteiligten fehlt."